Gerhard Pranges jüdische Freundin Sofieke ist bisher der Verhaftung entgangen. Über einen gewissen Anton van der Waals kommt sie in Kontakt zu Widerstandskämpfern, die aus England mit Waffen
und Sprengstoff versorgt werden. Sie ahnt nicht, dass Anton ein Verräter ist; scheinbar kann er beweisen, dass er auf der richtigen Seite steht. Aber dann schnappt die Falle zu, und auch Sofieke
wird verhaftet.
„Das ist eine reine Routinesache“, sagte Schreieder. Er räkelte sich in seinem Sessel. „Ihre Festnahme dient nur zu Ihrem eigenen Schutz.“
Das war jedenfalls gelogen. Sofieke reagierte nicht. Sie sah dem SS-Mann direkt ins Gesicht und verzog keine Miene.
„Anton und Sie haben großartige Arbeit geleistet. Dabei ist mir natürlich bewusst, dass Sie sozusagen unfreiwillig mitgewirkt haben. Ich hoffe, Anton hat sich Ihnen gegenüber jedenfalls anständig benommen.“
Anton ist eine widerliche Ratte, dachte Sofieke. Genau wie du.
„Er schießt manchmal etwas über das Ziel hinaus“, gab Schreieder zu. „Aber die Ergebnisse seiner Arbeit sind hervorragend. Und wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie zugeben müssen, dass unser großangelegtes Täuschungsmanöver dazu beigetragen hat, dass die Niederlande sicherer geworden sind.“
Sicherer? Wahrscheinlich hielt dieser eitle Fatzke es für am sichersten, wenn alle im Gefängnis saßen. Außer der SS natürlich. Aber sie behielt diese Gedanken für sich. Es machte keinen Sinn, sich mit diesem Mann anzulegen. Nicht jetzt, wo er glaubte, alle Trümpfe in der Hand zu halten. Aber die Gelegenheit würde kommen. Der Funker Wolters hatte die Informationen weitergeleitet an Pieter Six, den neuen Vorsitzenden des Ordedienst. Und der war für die Herstellung und Verteilung von Flugblättern verantwortlich.
Schreieder redete und redete. Sofieke hörte nicht mehr zu. Sie konzentrierte sich auf die Fliege, die den Kopf des kleinen Mannes umkreiste, und die schließlich auf seiner Glatze landete. Schreieder wischte sie mit einer Handbewegung weg.
„Kann ich jetzt gehen?“, unterbrach Sofieke seinen Redefluss.
Schreieder hielt inne und sah sie überrascht an. Er war es nicht gewohnt, dass jemand ihn in dieser Weise behandelte. „Ja, Sie können jetzt gehen“, sagte er.
Sofieke verließ Schreieders Büro mit hoch erhobenem Haupt. Aber als sie hinaustrat auf die Straße, war das Gefühl des Triumphes verflogen, und an Stelle ihrer Wut trat jetzt die Angst. Sie hatte sich mit den deutschen Besatzern angelegt. Mit der SS, mit der Gestapo und ihren Handlangern. Sie wünschte, dass wenigstens Gerhard da wäre, um sie in den Arm zu nehmen und ihr zu versichern, dass alles gut wäre. Aber Gerhard war noch immer in Frankreich.